Es handelt sich um ein Wohnhaus Baujahr 1934.
Im Jahr 2011 kaufen es die Kläger - nennen wir sie im
weiteren Text "Käufer" vom Beklagten -
d.h. vom "Verkäufer". Letzterer beauftragt im Jahr 2009 einen Makler
das Grundstück samt Haus zu veräußern. Auch lässt er
zu dem Zeitpunkt einen Energieausweis ausstellen und überreicht ihn
dem Makler. Den Energieausweis gibt der Makler
den Käufern kurz bevor die beiden Parteien im Februar 2011
den Kaufvertrag abschließen.
Im darauf folgenden Winter 2011
/ 2012 stellen die Käufer fest, dass es ihnen nicht
möglich ist das Haus und insbesondere der ausgebaute
Dachboden richtig zu beheizen. Sie streiten
daraufhin mit dem
Verkäufer und werfen ihm vor, dass der
Energieausweis einen falschen, d.h. besseren
Energie-Standard verspricht, als das Haus
tatsächlich bietet.
Der Verkäufer renkt ein und legt
im Januar 2014 einen korrigierten Energieausweis
vor. Die Käufer beauftragen darauf einen
Sachverständigen, der den entstandenen Schaden, bzw.
Minderwert feststellen soll zwischen dem bezahlten
und dem tatsächlich "erhaltenen" Haus.
Der Sachverständige
der Käufer schätzt den Minderungswert auf 22.000 Euro.
Der Verkäufer lehnte es jedoch ab diese Summe samt Zinsen
zu bezahlen. Das Landgericht
Schleswig-Holstein weist am 7. November
2014 die Klage ab und das Oberlandesgericht bestätigte am 28. Februar 2015 auch dieses Urteil.
Lesen Sie
die weiteren Details:
Es geht im Grunde genommen
darum, ob dem Käufer für die fehlerhafter Angaben im
Energieausweis des erworbenen Wohnhauses ein Ausgleich
für den behaupteten Minderwert zusteht. Aufgrund des
notariellen Kaufvertrags vom 24. Februar 2011 erwerben
die Käufer vom Verkäufer ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus
Baujahr 1934.
Im Kaufvertrag haben die
Parteien unter der Überschrift "Gewährleistung"
Folgendes vereinbart: "Der Verkauf erfolgt im übrigen
…wie besehen und unter Ausschluss jeglicher Haftung für
Fehler und Mängel, gleich welcher Art. Von dem
Haftungsausschluss ausgenommen sind Ansprüche des
Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung des
Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der
Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, und
auf Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer
vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Pflichtverletzung
des Verkäufers beruhen. Einer Pflichtverletzung des
Verkäufers steht die seines gesetzlichen Vertreters oder
Erfüllungsgehilfen gleich."
Nachdem die Käufer den
Kaufpreis bezahlt haben sollte der Verkäufer ihnen das
Grundstück und Haus überlassen.
Der Verkäufer bewohnt das
Haus vor dem Verkauf jahrelang selbst. In dieser Zeit
entfernt er im Obergeschoss die Decke zum Spitzboden
und richtet auf der erhöhten Ebene sein
Schlafzimmer ein. 2009 beauftragte er einen Makler das
Grundstück samt Haus zu verkaufen. Der potenzielle Käufer
spricht
den Makler auf den Energieausweis an.
Daraufhin beauftragt der
Verkäufer einen Sachverständigen, den er bereits von
früher kennt, einen
Energieausweis auf der Grundlage des Energiebedarfs
auszustellen. Der Verkäufer reicht den Energieausweis an
den Makler weiter. Noch vor dem Abschluss des Kaufvertrages
überreicht der Makler den Käufern den Energieausweis.
Dieser erste
Energieausweis vom 23. Dezember 2010 weist als
Jahres-Primärenergiebedarf beispielsweise 264
Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/(m² a)),
bei einem jährlichen Bedarf an Heizöl-EL von 188,8 aus. Der
Aussteller besichtigt das Haus nicht und übernimmt die Maße
und Angaben vom Verkäufer.
Allerdings kennt er das Haus bereits von früher, weil er
des Öfteren als Gast eingeladen ist.
Die Käufer und der
Verkäufer diskutierten weder während des
Vertragsabschusses beim Notar noch außerhalb über die
Angaben im Energieausweis und der Projektdokumentation.
Später jedoch stellen die Käufer fest, dass der
Energieausweis nicht korrekt ist und verklagen den
Verkäufer. Letzterer legte daraufhin einen korrigierten
Energieausweis vom 22. Januar 2014 vor. Dieser weist nun
einen Jahres-Primärenergiebedarf von 279 kWh/(m² a) und
einem jährlichen Energiebedarf an Heizöl-EL von 201,7
aus.
Strittig bleibt zwischen
beiden Parteien die Frage, ob der Energieausweis - den
sie vor Vertragsabschluss erhalten - auch die
42-seitige Projektdokumentation beiliegt war oder sie
diese erst nach Abschluss des Kaufvertrages im Notariat
mit den übrigen Grundstückspapieren erhalten.
Später bemängeln die
Käufer, dass die
Angaben zu den verwendeten Baumaterialien und
Schichtenaufbauten – beispielsweise im Steildach – nicht korrekt
seien.
Sie beauftragen deshalb
einen Sachverständigen, der die "abweichende
energetischen Situation" untersucht. Der Fachmann
gelangt zu dem Schluss, dass sich der Verkehrswert der
festgestellten Abweichung auf rund 22.000 Euro beläuft
und die jährlichen Mehrkosten für die Heizung circa 400
Euro betragen. Der Käufer schätzt den
Kostenaufwand für eine Dämmung des Daches – nachdem er
einen Dachdecker befragt - auf unter 10.000 Euro.
Der Käufer fordert danach den Verkäufer per
Anwaltsschreiben auf, dass er anerkennt, dass er verpflichtet
sei eine Nacherfüllung zu leisten: Konkret bedeutet
dies, dass der Verkäufer das Dach
mit derjenigen Dämmung errichtet, die im
Maklerexposé, Produktbeschreibung und
Energieausweis angegeben ist. Die Gesamtkosten
schätzt er nach eingeholten Angeboten zwischen
28.492 Euro und 46.452 Euro ein.
Alternativ räumt der
Käufer dem
Verkäufer die Möglichkeit ein, innerhalb der gesetzten Frist den
Minderungsbetrag von 22.000 Euro zu bezahlen. Doch der
Verkäufer lehnt diese Forderungen entschieden ab.
Die Käufer behaupten, sie
hätten die Projektdokumentation mit dem Energieausweis
vom Makler in digitalisierter Form erhalten und an einen
Architekten weitergeleitet mit der Anfrage, welche
Investitionen auf sie zukommen würden.
Der beauftragte Fachmann
besichtigt zwar das Haus, gibt jedoch anhand des
Energieausweises und der Projektdokumentation an, dass
die neuen Eigentümer wohl 5 bis 10 Jahre "Ruhe mit dem
Haus" hätten. Den Architekten haben die Käufer
insbesondere auf energetische Maßnahmen angesprochen, da
sie bislang in einer Wohnung mit sehr hohem
Heizwärmebedarf lebten.
Im Winter 2011/2012
stellen sie jedoch mit Entsetzen fest, dass sich die Räume des
gekauften Hauses nicht ausreichend beheizen lassen.
Im
August 2012 teilt ihnen ein Dachdecker mit, dass
das Dach nicht mit einer Stärke von 14 cm gedämmt sei.
Die Käufer sind der
Meinung, dass der Verkäufer recht wohl gewusst hätte, dass das Dach nicht hinreichend gedämmt
ist und dass sich das Dachgeschoss nicht ausreichend
beheizen lässt. Dem Verkäufer unterstellen die neuen
Eigentümer, dass er auch gewusst hätte, dass der
beauftragte Sachverständige unzutreffende Angaben
gemacht hätte.
Der Verkäufer verteidigt
sich mit den Argumenten, dass er den Energieausweis nur
auf Anraten des Maklers habe erstellen lassen, ohne dass
ihm bekannt gewesen sei, welche Informationen der
Aussteller benötigen würde.
Es sei allerdings
offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen ihm und
dem Aussteller gekommen, als dieser nach der Stärke der
Dämmung des Dachgeschosses gefragt habe. Er selbst habe
erwidert, dass er eine 14 cm starke Dämmung im
Spitzboden am Giebel eingebaut habe. Dabei sei er von
dieser Stärke ausgegangen, weil er unterstellt habe, die
Sparrenstärke entspreche der Stärke der Deckenbalken.
Das Dach habe er nicht
geöffnet. Er meine auch, dass er im Jahre 1987 die
Sparren voll ausgefüllt habe. An Einzelheiten könne er
sich nicht mehr erinnern. Zu den Dämmstärken im Bereich
des übrigen Daches habe er keinerlei Aussagen getroffen.
Das Mittelgeschoss sei ebenfalls 1987 von einem
Unternehmen ausgebaut worden, ohne dass er wisse, welche
Dämmung dort eingebaut worden sei. Die übrigen Angaben
in der Projektdokumentation seien ihm völlig unbekannt.
Das Landgericht weist die
Klage der Käufer ab mit der Begründung, dass „ein
Sachmangel nicht vorliege", da von einem 77 Jahre alten
Haus keine Wärmedämmung nach dem Stand der Technik des
Jahres 2011 erwartet werden könne.
Etwas anderes ergebe sich
auch nicht aus dem Energieausweis. Für dessen
Richtigkeit habe der Verkäufer nicht einstehen wollen.
Dafür spreche insbesondere, dass seinerzeit noch nicht
einmal die Pflicht zur Übergabe eines Energieausweises
bestanden habe.
Die Käufer seien davon
ausgegangen, dass das Energiegutachten schon richtig
sein werde. Bei der Beurkundung sei nicht über das
Gutachten gesprochen worden.
Daraufhin gehen die
Käufer in Berufung und fordern 22.000 Euro plus
Zinsen vom Verkäufer und zwar mit folgenden
Argumenten:
-
Die Vorlage von
Energieausweis und Projektdokumentation habe bei
den Käufern zu einer konkreten Vorstellung über
den Kaufgegenstand im Hinblick auf die
verkehrswesentliche Eigenschaft des
Energieverbrauches bzw. der Energieeffizienz
insbesondere bei einem Altbau geführt.
-
Für eine
Beschaffenheitsvereinbarung reiche es aus, wenn
eine verbindliche Beschreibung der Kaufsache
durch den Verkäufer erfolge und dieser
konkludent zu erkennen gebe, dass seine Angaben
den Zustand des Vertragsgegenstandes wiedergeben
sollen.
-
Das Dachgeschoss
lasse sich in kalten Wintern nicht über 9 Grad
aufheizen.
-
Der von den
Käufern beauftragte Architekt habe sie bei der
gemeinsamen Hausbesichtigung darauf hingewiesen,
dass man den Dachaufbau von außen durch Anheben
von Schindeln prüfen könne. Wegen des
seinerzeitigen Schnees auf dem Dach hätten sie
eine solche Prüfung nicht vorgenommen.
-
Der Verkäufer habe
gegenüber dem Sachverständigen grob falsche
Angaben über die Dämmung gemacht, so dass ihm
bekannt gewesen sei, dass der Energieausweis
fehlerhaft gewesen sei.
-
Auch ein Anspruch
aus schuldhafter Verletzung vorvertraglicher
Pflichten komme in Betracht. Dieser werde durch
den Gewährleistungsausschluss nicht erfasst.
Hätte der Verkäufer den Käufern mitgeteilt, dass
er selbst die Daten für den Energieausweis
ermittelt gehabt habe, hätten die Käufer den
Vertrag nicht oder jedenfalls nicht zu diesen
Bedingungen abgeschlossen.
Das Landgericht erkennt
den Anspruch der Käufer nicht an und weist die Klage am
13. März 2015 ab. Der Verkäufer muss den beanstandeten
Minderwert aufgrund der unzutreffenden Angaben im
Energieausweis dem Käufer gegenüber nicht ausgleichen.
Das Gericht begründet das Urteil folgendermaßen:
-
Die Käufer können
eine Minderung nicht aufgrund eines
vertraglichen Gewährleistungsanspruches gemäß
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 441
(Minderung), § 437 (Rechte des Käufers bei
Mängeln) Nr. 2. 2. Var., § 434 (Sachmangel)
verlangen. Denn trotz der von den Angaben im
Energieausweis und der Projektdokumentation
abweichenden energetischen Eigenschaften und der
behaupteten schlechten Beheizbarkeit der oberen
Etage weist das Hausgrundstück keinen Sachmangel
auf.
-
Aber auch ein auf
das negative Interesse gerichteter Anspruch der
Käufers auf Ersatz des behaupteten Minderwertes
des Hauses kommt weder nach BGB § 280
(Schadensersatz wegen Pflichtverletzung), § 311
(Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche
Schuldverhältnisse) Abs. 2 in Verbindung mit BGB
§ 241 (Pflichten aus dem Schuldverhältnis)
Absatz 2 unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes
gegen eine vorvertragliche Aufklärungspflicht
noch eines deliktischen Handelns nach BGB § 823
(Schadensersatzpflicht) Absatz 2 in Verbindung
mit dem Strafgesetzbuch StGB § 263 (Betrug) in
Betracht.
Redaktion: Melita Tuschinski,
Redaktion
EnEV-online.de
Quellen und weitere Informationen:
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom
13.03.2015, Aktenzeichen 17 U 98/14 | 7 O 203/13
Landesgericht Itzehoe, www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/OLG/olg_node.html
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